Liebe Gemeindeglieder,
liebe Besucherinnen und Besucher unseres Kirchenraumes,
als evangelische Christ*innen feiern wir den 4. Sonntag nach Ostern, der den Namen „Kantate“ trägt. „Kantate“ ist lateinisch und heißt übersetzt: „Singet“. Dieser österliche Sonntag ist von der Freude der Auferstehung Jesu geprägt, die in ein Singen von uns mündet. Wir haben Ihnen Lieblingslieder der Pfarrer*innen zusammengestellt, die Sie einladen, laut oder leise zu singen. Vielleicht finden Sie dabei auch Ihr Lieblingslied und stimmen in Gottes Lob mit ein.
Es grüßen Sie herzlich
Ihr/e
Pfarrer Alexander Röhm | Pfarrerin Barbara Röhm | Pfarrerin Ulrike Butz /
Pfarrerin Michaela Kugler | Kantor Traugott Mayr
Stern, auf den ich schaue (EG 407)
Für mich steckt in diesem Lied viel Emotion in der Musik. Es hat wunderbare melodische und auch romantische Wendungen, die mir manchmal eine Träne ins Auge schießen lassen. Außerdem mag ich den Text sehr, da er auf Christus konzentriert. Und auch das Thema der Vergänglichkeit wird thematisiert: Unser Leben kommt von Gott und geht zu ihm zurück. Zugegeben, der Text ist sehr pathetisch. Mich spricht er aber sehr an.
(Pfarrer Alexander Röhm)
2. Ohne dich, wo käme / Kraft und Mut mir her? / Ohne dich, wer nähme / meine Bürde, wer? / Ohne dich zerstieben / würden mir im Nu. / Glauben, Hoffen, Lieben / alles, Herr, bist du!
3. Drum so will ich wallen / meinen Pfad dahin, / bis die Glocken schallen / und daheim ich bin. / Dann mit neuem Klingen / jauchz ich froh dir zu: / nichts hab ich zu bringen, / alles, Herr, bist du!
Den Text dieses Liedes schuf 1857 der Theologe Adolf Krummacher, Sohn eines Erweckungspredigers. 30 Jahre lang schlummerte er zunächst in Krummachers Gedichtsamlung „Harfenklänge“ bevor er von der Komponistin Mina Koch entdeckt wurde. Das Gedicht machte auf sie einen derart starken Eindruck, dass sie gleich am Klavier darüber meditierte und die Melodie sofort aufs Notenblatt schrieb. Mit dieser Melodie verbreitete sich das Lied schnell, der erste Druck 1897 in Elberfeld wurde zum Bestseller. Durch die Aufnahme in das Choralbuch von Johannes Kuhlo für die ostwestfälische Posaunenchorbewegung fand es rasch weitere Verbreitung in den Gemeinden, die von der Erweckungsbewegung angesteckt waren.
Die Melodie ist typisch für viele Liedmelodien in der Romantik: Volksliedhaft einerseits durch die vielen in der Melodie enthaltenen Dreiklänge, romantisch und gefühlvoll andererseits durch Wendungen, die von romantischen Harmonisierungsmodellen inspiriert sind und deshalb auch solche romantischen Klangvorstellungen evozieren. Eine wunderbare Synthese von Melodie und Text.
Traugott Mayr
(Eine ausführliche Liedbetrachtung von Christa Kirschbaum finden sie hier:
Komm zu uns, Heilger Geist (EG 565)
Dieses Lied wurde als Bittlied um den Heiligen Geist an unserer Ordination gesungen. Gerne erinnere ich mich an diesen besonderen Tag zurück, wenn ich dieses Lied höre. Ich verbinde mit diesem Lied Fröhlichkeit und Freude, welche sich auch in der Melodie ausdrückt.
„Komm zu uns, Heilger Geist“ – diese Bitte kann ich nicht oft genug singen. Die Bitte um Gottes Geist, der mich anstupst, der mir Mut macht, wenn ich allzu oft im Alltagsgewirr untergehe. Ein Lied, das mich daran erinnert, dass ich getragen bin von Gottes Geist: „Deine Fülle gibt uns Leben, Wahrheit und Weg und Ziel, Mut und Freude willst du geben: Boten Christi sind wir.“ Und darum können wir gar nicht oft genug bitten um Gottes Heiligen Geist.
(Pfarrerin Barbara Röhm)
2. Mach uns frei in frohem Glauben, / der Christi Heil erfaßt, / In Gemeinschaft so zu leben, wie du geboten hast.
3. Bleibe bei uns, führe du uns, / gnädig in allem Tun: / Dein Erbarmen uns bestimme / täglich in unserm Mühn.
4. Geist der Güte, wahrer Tröster, / du bist der Weisheit Quell. / Unser Herz füll, unsre Sinnen, / mach unsre Augen hell.
Das Lied stammt aus Afrika und wurde von dem tanzanianischen Pfarrer Wilson Niwagira auf eine Melodie der Haya (Volksstamm im Nordwesten Tanzanias) gedichtet. In vier kurzen Strophen bittet er den heiligen Geist um seine Gegenwart, um Befreiung, seine Führung und seinen Trost.
Die Melodie ist mit einem Tonvorrat von nur vier Tönen sehr einfach gehalten und dadurch sehr einprägsam: Zwei ansteigenden Terz-Rufen folgt ein einfacher Abgesang, was sich im Kehrvers nocheinmal wiederholt.
Was für einen Zuhörer vielleicht nicht besonders abwechslungsreich klingen mag, stellt sich für den Singenden selbst allerdings völlig anders dar, denn Wiederholung ist ein wichtiges Element der Meditation: So kann der Singende den heiligen Geist in fast mantrahafter Beharrlichkeit anrufen. (Damit steht das Lied übrigens in einer Linie mit den beliebten Gesängen aus Taizé, die genau unter dieser Prämisse geschaffen wurden). Und nicht zuletzt ist so mit einer großen Leichtigkeit das möglich, was für afrikanische Christen ohnehin ganz selbstverständlich ist: Singen bei der Arbeit, Singen beim Tanz.
(Traugott Mayr)
Amazing Grace (KAA 047)
Aus verschiedenen Gründen liebe ich dieses Lied: Da ist die Melodie, die sich so gut und aus vollem Herzen singen lässt und die so sehr nach Schottland klingt. Da ist der Text, der von Gottes wunderbarer Gnade erzählt, die alles übersteigt und die gerade darum mich ganz persönlich trifft. Und da ist das Wissen, dass dieses Lied international gesungen wird und es mich so in die Weite unseres Glaubens mit hineinnimmt.
(Pfarrerin Ulrike Butz)
1. Erstaunliche Gnade, wie süß der Klang, / Die einen armen Sünder wie mich errettete! / Ich war einst verloren, aber nun bin ich gefunden, / War blind, aber nun sehe ich.
2. Es war Gnade, die mein Herz Furcht lehrte, / Und Gnade löste meine Ängste; / Wie kostbar erschien diese Gnade / In der Stunde, als ich erstmals glaubte!
3. Durch viele Gefahren, Mühen und Fallen / Bin ich bereits gekommen; / Es ist Gnade, die mich sicher so weit brachte, / Und Gnade wird mich heim geleiten.
4. Wenn wir zehntausend Jahre dort gewesen, / Hell scheinend wie die Sonne, / Haben wir keinen Tag weniger Gottes Lob zu singen, / Als da wir angefangen haben.
Amazing Grace verdankt seine Entstehung einem Schlüsselerlebnis seines Autors John Newton, der Kapitän eines Sklavenschiffs war. Nachdem er am 10. Mai 1748 in schwere Seenot geraten und nach Anrufung des Erbarmens Gottes gerettet worden war, behandelte er zunächst die Sklaven menschlicher. Nach einigen Jahren gab er seinen Beruf sogar ganz auf, wurde stattdessen Geistlicher und trat gemeinsam mit William Wilberforce für die Bekämpfung der Sklaverei ein. Das Lied, zu deutsch "Erstaunliche Gnade", wird später von US-Bürgerrechtlern gesungen und erklingt heute auf Konzerten und in Kirchen auf der ganzen Welt.
Die heute weltweit bekannte Melodie, die sogenannte „New Britain“, tauchte erstmals in einem Gesangbuch von 1831, dem Virginia Harmony, auf:
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Sie erinnert an schottische oder irische Folksongs, worauf ihre Wurzeln vermutlich auch zurückgehen. Solche pentatonischen Melodien liegen auch vielen Gospels zugrunde und dürften im 19. Jahrhundert in den USA sehr verbreitet gewesen sein. Es wäre kein Wunder, wenn auch der Komponist Antonín Dvořák sich bei seinem Amerika-Aufenthalt dadurch hätte inspirieren lassen - einige Themen seiner "Sinfonie aus der neuen Welt" jedenfalls sind aus genau diesen Melodiebausteinen aufgebaut und erinnern immer wieder sehr an dieses Lied.
(Traugott Mayr)
Wer nur den lieben Gott lässt walten (EG 369)
Ich erinnere mich gerne an meine Ordination vor sechs Jahren hier in Kaufbeuren. Ein voller Gemeindegesang erfüllte die Dreifaltigkeitskirche: „Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn alle Zeit, den wird er wunderbar erhalten in aller Not und Traurigkeit.“ Mich berührt die Tiefe dieser Worte jedes Mal neu. Und mir gefällt die damit verbundene Lebenseinstellung: „Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit.“ Ich darf auf Gott vertrauen, dass er es gut mit mir meint. Das gibt mir auch in der jetzige Situation Kraft und Hoffnung: „Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht.“
(Pfarrerin Michaela Kugler)
2. Was helfen uns die schweren Sorgen, / was hilft uns unser Weh und Ach? / Was hilft es, dass wir alle Morgen / beseufzen unser Ungemach? / Wir machen unser Kreuz und Leid / nur größer durch die Traurigkeit.
3. Man halte nur ein wenig stille / und sei doch in sich selbst vergnügt, / wie unser's Gottes Gnadenwille, / wie sein Allwissenheit es fügt; / Gott, der uns sich hat auserwählt, / der weiß auch sehr wohl, was uns fehlt.
4. Er kennt die rechten Freudenstunden, / er weiß wohl, wann es nützlich sei; / wenn er uns nur hat treu erfunden / und merket keine Heuchelei, / so kommt Gott, eh wir's uns versehn, / und lässet uns viel Guts geschehn.
5. Denk nicht in deiner Drangsalshitze, / dass du von Gott verlassen seist / und dass ihm der im Schoße sitze, / der sich mit stetem Glücke speist. / Die Folgezeit verändert viel / und setzet jeglichem sein Ziel.
6. Es sind ja Gott sehr leichte Sachen / und ist dem Höchsten alles gleich: / Den Reichen klein und arm zu machen, / den Armen aber groß und reich. / Gott ist der rechte Wundermann, / der bald erhöhn, bald stürzen kann.
7. Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, / verricht das Deine nur getreu / und trau des Himmels reichem Segen, / so wird er bei dir werden neu; / denn welcher seine Zuversicht / auf Gott setzt, den verlässt er nicht.
Entstehung: Dieses Vertrauenslied gehört zu den Stammliedern unseres Gesangbuchs. Es wurde von Georg Neumark 1641, also gegen Ende des 30-jährigen Krieges, geschrieben. Als angehender Jurastudent fiel er auf der Reise nach Königsberg einem Überfall zum Opfer und sah sich im Anschluß über lange Zeit vom Unglück verfolgt, stets jedoch auf Gottes Hilfe vertrauend.
Als er über lange Zeit keine Anstellung fand, verfiel er in „großen Kummer“ und schrieb: So "wurde ich so melancholisch / daß oftmals ich des Nachts in meiner Kammer den lieben Gott / mit heisen Thränen knieend um Hülfe anflehete...“ Als er dann endlich in Kiel eine Anstellung als Hauslehrer fand, setzte er dieses Lied auf, um „meinem lieben Gott zu Ehren...hertzinnigklich Dank zu sagen.“
Zur Dichtung: Neumarks poetisches Geschick zeigt sich u.a. im kunstvollen rhetorischen Aufbau des Liedes, dessen erste Strophe als These, die letzte als Conclusio und die mittleren als Konkretisierungen und Vorbereitung der Schlussfolgerung gelesen werden können.
Melodie: Neumarks Melodie setzte sich zu seiner Zeit gegen über 20 weitere Melodien durch und gehört heute zu den Hauptmelodien des protestantischen Gesangbuchs. In ihrem ruhig und sanft schwingenden Fluß und ihrer Molltonart schafft sie die richtige Umgebung, um vom Gottvertrauen zu erzählen.
Nicht zuletzt ist sie sehr einprägsam: Gleich der Beginn mit seinem raschen Anstieg wirkt wie eine hingebungsvolle Anrufung. Kein Wunder, verwendet sie doch dazu die musikalisch-rhetorische Figur der „Exclamatio“ (lat. Ausruf) – ein Aufstieg zur kleinen Sexte – wie wir sie u.a. aus vielen prominenten Musikstücken der Barockzeit kennen, wie z.B. der „Erbarme dich“-Arie aus Bach Matthäuspassion. Wunderbar, wie sich die Liedmelodie dann ein zweites Mal kraftvoll aufschwingt, um sich danach wieder sanft auf dem Grundton einzupendeln: Was für ein schönes Bild, wie wir uns nach der Anrufung Gottes vertrauensvoll in seine Güte zurückfallen lassen können.
Beispiele in Musik und Film: Neben ihrer inneren Überzeugungskraft läßt sich die Melodie außerdem sehr farbig harmonisieren und wurde wohl auch deshalb gerne von den großen Komponisten aufgegriffen. Wie etwa von J.S.Bach (diverse Kantaten und Orgelwerke), Felix Mendelssohn (Choralkantate), Robert Schumann (Klavierquartett op. 47: -0:46 und -0:11)
und Johannes Brahms (Deutsches Requiem). Und auch in anderen Musikwelten finden sich Beispiele, die sich an diese Melodie anlehnen, u.a. beim Jazz-Standard „Black Orpheus“, der fast notengleich beginnt.
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Eine besonders eindrucksvolle Vertonung findet sich in einer Szene des Films „Vaya con Dios“, wo während eines Gemeindegesang nacheinander drei Mönche aufstehen, mit improvisierten Über und Unterstimmen das Lied zu einem kunstvollen Chorsatz machen und so die Szene zu einem emotionalen Höhepunkt führen.
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Dieses Lied ist auch eines meiner Lieblingslieder aus dem Gesangbuch.
(Traugott Mayr)